Unter dem Imposter-Syndrom (oder Impostor-Phänomen) leiden viele Menschen. Was dieses Syndrom ist und warum vor allem Hochbegabte darunter leiden, liest du in diesem Artikel: Was ist das Imposter-Syndrom und warum leiden besonders Hochbegabte darunter?
Definition des Imposter-Syndroms
Das Imposter-Syndrom lässt sich wörtlich als Hochstapler-Syndrom übersetzen. Es bedeutet, dass die Betroffenen unter dem Gefühl leiden, unzulänglich zu sein. Sie glauben, schlechte Ergebnisse hervorzubringen und den Erfolg nicht zu verdienen. Sie fürchten, dass sie auffliegen könnten, also dass andere Menschen entdecken könnten, dass sie doch nicht so begabt sind, wie sie scheinen.
Diese Menschen schätzen sich selbst als weniger kompetent ein und leben in Angst, dass sie als Hochstapler oder Betrüger entlarvt werden. Diese Selbstzweifel und Versagensängste führen dazu, dass diese Menschen ihre Erfolge mit Glück oder glücklichen Zufällen erklären. Das Imposter-Syndrom ist keine diagnostizierbare psychische Erkrankung, sondern eine Wahrnehmungsverzerrung.
Forschungen dazu gibt es von Dr. Pauline R. Clance und Dr. Suzanne A. Imes.
Es gibt viele Ursachen für das Imposter-Syndrom
Das Imposter-Syndrom, worunter ca. 70 % der Menschen leiden, hat viele Ursachen. Männer wie Frauen sind gleichermaßen betroffen. Auch im Rahmen von Hochbegabung ist das Imposter-Syndrom ein weitverbreitetes Phänomen, welches ich weiter unten beleuchte.
Ursaschen des Imposter-Syndroms
Es gibt viele einzelne Ursachen, doch oft ist es ein Zusammenspiel aus verschiedenen Ursachen, die ein Imposter-Syndrom günstig beeinflussen können.
- Perfektionismus: die Betroffenen haben Probleme, die an sich selbst gestellten Ansprüche zu erfüllen.
- Selbstzweifel: Oft stimmt die Eigenwahrnehmung mit der Außenwahrnehmung nicht überein.
- Erziehung: Werte, wie Bescheidenheit oder dass alle anderen Menschen wichtiger sind als man selbst können dazu beitragen.
- Leistungsdruck: Hohe Erwartungen im Außen können dazu führen, dass ich Angst habe, den Erwartungen nicht gerecht zu werden.
- Fehlende Anerkennung: Kinder haben möglicherweise nicht erfahren, welche Stärken sie haben oder wurden oft gerügt.
- Komplexes Denken: Wenn alles ins Kalkül gezogen wird, macht dies vor der eigenen Persönlichkeit nicht Halt.
- Mangelndes Selbstbewusstsein: Ein schlechtes Selbstbild macht es unmöglich, sich auf eigene Stärken zu besinnen und Erfolge zu feiern.
- Fehlendes Zugehörigkeitsgefühl: Fehlende gemeinsame Interesse oder ein mangelndes Selbstbewusstsein können einsam machen.
- Vielinteresse: Diese Menschen machen viel, fokussieren sich aber nicht auf eine Sache. Sie haben das Gefühl, kein Experte zu sein, weil dies unüblich ist.
- Vergleichen mit anderen: Die eigenen Leistungen werden in den Schatten gestellt, da die Leistungen anderer höher bewertet werden.
- Kritisches Denken: Fehler und Mängel gibt es überall, diese werden von den Betroffenen überbewertet, vor allem, wenn es die eigenen sind.
- Mangelnde Passung: z. B. in der Schule, die Betroffenen haben das Gefühl, am falschen Ort zu sein.

Imposter-Syndrom bei Hochbegabten
Besonders hochbegabte Menschen leider unter dem Imposter-Syndrom, welches sich durch die Eigenschaften von Hochbegabung erklären lässt.
Perfektionismus und schnelle Auffassungsgabe
Eine besondere Eigenschaft von Hochbegabten ist das schnelle Auffassungsvermögen. Gerade in der Grundschule fällt hochbegabten Kindern oft alles zu. Sie lernen schnell und müssen selten üben. Wiederholungen vermeiden sie. Diese Eigenschaft ist für sie ein Normalzustand, aber sie erhalten ein Lob für ihr erlebtes Nichtstun. Auf der anderen Seite sind ihre Ansprüche aufgrund ihres Perfektionismus an sich so hoch, dass sie an sich selbst zweifeln.
Diese Diskrepanz, die sie erleben, kann ein Imposter-Syndrom erzeugen, wie Ulrike Alt in ihrem Fachartikel schreibt.
Hochbegabte haben oft viele Interessen
Viele Hochbegabte sind vielinteressiert und fallen unter die Scannerpersönlichkeiten. Das bedeutet, sie interessieren sich für viele Themen und machen vieles gleichzeitig. Sie tauchen tief in die Materie ein, aber verlassen sie wieder, wenn sie genug darüber wissen. Dadurch sammeln sie ein breites Spektrum an Wissen und Fähigkeiten, die aber nicht immer bis zur Perfektion ausgebildet werden.
Das kann zur Folge haben, dass sie sich in der jeweiligen Peer Group nicht zugehörig oder wertig fühlen, weil ihnen die absolute Perfektion oder Zertifikate fehlen. Dies können sie als Makel erleben, welches wiederum das Imposter-Syndrom verstärkt.
Hochbegabte denken komplex und hinterfragen
Während komplizierte Abläufe für Hochbegabte einfach sind, scheitern sie an einfachen Aufgaben. Logisches wird für sie schnell unlogisch, weil sie zu viel darüber nachdenken und sich in ihrem Denken verzetteln. Sie hinterfragen vieles und warten mit alternativen Lösungen auf. Ihre Lösungsbegabung resultiert auf einem tiefen und breiten Denken, welches zudem noch sehr schnell ist.
Das bedeutet auch, dass sie über ihre eigenen Fähigkeiten sinnieren. Sie könnten zu dem Schluss kommen, dass es noch so viel gibt, was sie nicht können und sich daher als unwissend und unfähig bezeichnen. Frei nach dem Zitat von Albert Einstein: „Je mehr ich weiß, umso mehr weiß ich, dass ich nicht(s) weiß.“ Dies erzeugt Unsicherheit und ist ein Nährboden für das Imposter-Syndrom.
3 Tipps, was du bei einem Imposter-Syndrom unternehmen kannst
Wenn du unter einem Imposter-Syndrom leidest, gibt es einiges, was du dagegen tun kannst. Hier ein paar Beispiele:
Stärke deine Selbstwahrnehmung
Du bist die wichtigste Person in deinem Leben und du bist einzigartig. Niemand ist wie du, und das ist auch gut so. Daher ist die Selbstwahrnehmung so wichtig. Stärke sie, indem du öfter innehältst und dich selbst beobachtest, und deine Gedanken und Glaubenssätze hinterfragst. Vielleicht helfen dir dabei auch meine 31 Mindset-Karten für jeden Tag, die ich selbst entwickelt habe.
Probiere, dich öfter auf Video aufzunehmen. So erhältst du einen Eindruck davon, wie du im Außen wirkst. Hilfreich ist möglicherweise ein Rhetorik-Seminar, in dem dies professionell geübt wird. Du wirst erstaunt sein, wie sehr die Außenwahrnehmung anderer Menschen von deiner Eigenwahrnehmung abweicht. Das eröffnet einen neuen Blick auf deine Fähigkeiten.
Feiere deine Erfolge und nimm Lob dankend an
Vielen hilft dir das Führen eines Erfolgstagebuchs. Schreib jeden Abend auf, was gut an diesem Tag war und was dir gut gelungen ist. Das lenkt den Blick auf deine Stärken und die positiven Erlebnisse. Zelebriere das. Blicke auch öfter auf deine Erfolge zurück und bring sie dir noch einmal ins Gedächtnis. Du kannst stolz darauf sein, was du bis jetzt alles erreicht hast.
Wenn jemand dich lobt, dann lass es sacken. Du bist nicht verpflichtet, ein Lob zu entgegnen, sondern du darfst es dankend annehmen. Es ist ein Geschenk, was dir dein Gegenüber macht. Es wäre doch unfreundlich, wenn du dieses Geschenk wieder zurückgibst. Geh davon aus, dass dein Gegenüber es ehrlich mit dir meint. Du bist es wert.
Akzeptiere negative Gefühle und sprich darüber
Wie gesagt betrifft das Hochstapler-Syndrom über 70 % der Menschen. Diese Zahl ist vielleicht beruhigend für dich. Wenn du spürst, dass die negativen Gefühle überhandnehmen, schau sie dir an. Sie wollen dir nicht schaden, sondern dich meist schützen. Es sind Gewohnheiten, ein chemischer Cocktail, den dein Körper braucht und sogar einfordert. Durchbrich diesen Teufelskreis, indem du sie bewusst wahrnimmst. Möglicherweise kannst du auch identifizieren, woher sie kommen.
Scheue dich nicht, Hilfe zu suchen. Sprich über deine Gefühle mit einer Vertrauensperson. Du wirst erstaunt sein, dass du nicht allein bist damit.
Ein Fun Fact zum Schluss:
Das Gegenteil eines Imposter-Syndroms ist der Dunning-Kruger-Effekt. Hier überschätzen inkompetente Personen ihre Fähigkeiten und geben vor, mehr zu können und zu wissen.

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