Buchbesprechung „Eltern sein ohne Schuldgefühle“ von Silke R. Plagge und Béa Beste (Tollabea)
Was für ein schöner Titel: „Eltern sein ohne Schuldgefühle“. Was so einfach klingt, ist im Familienalltag oft eine große Herausforderung. Leider viele Jahre zu spät bin ich auf dieses großartige Buch gestoßen, denn meine Kinder sind heute fast erwachsen. Trotzdem möchte ich auf das Buch eingehen, welches vollgepackt mit vielen Ideen ist. Dabei möchte ich erörtern, wie du ganz speziell gelassen durch den Familienalltag mit hochbegabten Kindern kommst.
Das Buch ist von Silke R. Plagge und Béa Beste geschrieben. Béa betreibt den erfolgreichen Familienblog Tollabea, bei dem ich auch schon einen Artikel veröffentlichen durfte. Zugegebenermaßen war ich während des Lesens des Buches "Eltern sein ohne Schuldgefühle" gemischten Gefühlen ausgesetzt. Doch am Ende wurde alles gut. Warum aber die gemischten Gefühle?

Zu unserer persönlichen Geschichte mit Hochbegabung, ADHS und vielen Diagnostiken habe ich ein Buch geschrieben: „Hochbegabt gescheitert - und neue Türen öffnen sich“.
Bei Amazon - oder im Buchhandel erhältlich: ISBN 978-3982620169
Gemeinsam gelassen durch den Familienalltag
Der Einstieg in das Buch war sehr aufschlussreich. In den ersten Kapiteln holten die Autorinnen mich sehr gut ab, da ich mich bereits seit längerem mit meinen eigenen Gedanken und Gefühlen beschäftige. Du kennst sicher auch das schlechte Gewissen und die Schuldgefühle, die uns bei der Erziehung unserer Kinder begleiten?

Auf der Buch-Rückseite liest du dazu folgende provokante Aussage: „Na, heute schon versagt bei der Erziehung?“ Schließlich sind wir mal eben so Eltern geworden. Keine Schule, kein Seminar und kein Kurs haben uns auf diese Ausnahmesituation vorbereitet.
Daher tauchen Fragen auf wie: „Mache ich alles richtig?“ „Werde ich den Ansprüchen meines Kindes gerecht?“ Was sagen die anderen in meinem Umfeld dazu, wie ich mein Kind erziehe?“ und vieles mehr. Woher diese Schuldgefühle und auch das schlechte Gewissen kommen, bringen Silke und Béa spielerisch und bildhaft auf den Punkt: „Das Gewissen ist der Ort, wo die Schuldgefühle wohnen“, (Seite 17). Eine hübsche Zeichnung gibt es auch dazu.
Die Qual der richtigen Entscheidung in der Erziehung
Natürlich erkannte ich mich in den Aussagen wieder. Denn auch ich als Mutter unterlag diesen Gedanken und Empfindungen. Dazu ein Beispiel: Mir fiel es beispielsweise schwer, konsequent zu sein. Natürlich hatte ich gelernt, dass Konsequenz in der Erziehung sehr wichtig ist, um die Kinder „im Zaun“ zu halten. Das hatte ich von Büchern, allgemeinen Erziehungsempfehlungen, Erziehungscoaches und aus Unterhalten mit anderen Eltern gelernt. Natürlich wurde ich hinreichend auch von meinen Eltern und Großeltern geprägt.
Wenn ich aber nun eine Entscheidung bezüglich meiner Kinder zu treffen hatte, dann fühlte ich, wie sich in meinem Kopf ein riesiger Gedankenballon aufblähte. Gefüllt mit Wenn und Abers, voll mit möglichen Auswirkungen unterschiedlicher Entscheidungen. Diese Flut an Informationen führte dazu, dass ich schließlich wie gelähmt dastand und mich handlungsunfähig fühlte. In solchen Situationen war ich immer sehr dankbar, dass mein Mann ein klares Wort sprach und die Entscheidung in wenigen Worten auf den Punkt brachte.
Hochbegabt und hochsensibel in der Erziehung
Ich glaube heute, dass dies einerseits ein Problem meiner eigenen Hochsensibilität, aber auch meiner Hochbegabung ist. Damals wusste ich noch nicht darum, denn ich bin eine spät erkannte Hochbegabte. Auch meine Hochsensibilität habe ich erst durch unseren jüngeren Sohn entdeckt.

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Hier komme ich zu dem Punkt, dass das Buch „Eltern sein ohne Schuldgefühle“ für mich ein Segen gewesen wäre, hätte ich es früher gelesen. Erstens hätte ich früher meine Muster erkennen können, die ich unreflektiert von anderen übernommen habe. Und zweitens hätte ich früher auf die Worte „müsste“ und „sollte“ geachtet und Alternativen gefunden.
Erziehung früher und heute – welche Regeln für Familien gelten
Tatsächlich ist das eine meiner wichtigsten Erkenntnisse aus dem Buch. Jede Generation hat andere Regeln, denn es sind immer andere Zeiten. Doch Erziehungsgrundsätze werden von Generation zu Generation weitergegeben.
Wir selbst sind geprägt durch unsere Eltern, Großeltern und wiederum ihren Eltern und so weiter. Ängste, Vorurteile, Meinungen, aber auch der Zeitgeist wird so immer weitergetragen. Wir übernehmen das und glauben daran. Und irgendwann stehen wir da und fragen uns, warum wir doch wieder genauso handeln wie unsere Eltern und Großeltern, obwohl wir das nie wollten.

Daher ist dieses Buch so wertvoll, denn es eröffnet neue Sichtweisen und sensibilisiert für die Einstellungen anderer Menschen in unserer Umgebung. Die Autorinnen ermutigen, dass wir uns eine eigene Meinung bilden und unsere eigenen Regeln in der Familie erschaffen. Das finde ich sehr positiv und wichtig, bildet es doch die Grundlage für Gelassenheit und eine entspannte Familienatmosphäre.
Ein Schatz voller Ideen für eine gute Elternschaft
Nach diesen einführenden Kapiteln wartete ein regelrechter Schatz an Empfehlungen auf mich. Ich wurde nahezu überwältigt von praktischen Beispielen des Familienalltags, im Umgang mit anderen, den Gefühlen und Emotionen in uns und mit denen wir konfrontiert sind bis hin zu Kita und Schule. Denn die Autorinnen zeigen vielfältige Situationen auf und bieten unterschiedliche Lösungen für das eigene Verhalten. Ich gestehe aber, dass mich diese Flut am Anfang verwirrt zurückgelassen hat.
Natürlich kamen mir die beschriebenen Situationen sehr bekannt vor. Das gilt sicher für jede Familie, die das liest. Doch die praktischen Möglichkeiten, damit umzugehen, erschlugen mich beim Lesen. Vielleicht war es auch mein schlechtes Gewissen, welches mich hier kalt erwischte. Unsere Kinder sind fast erwachsen. Mir kamen beim Lesen viele Situationen in den Kopf, ich denen ich anders als beschrieben reagierte. Es hätte so gute und schöne Alternativen gegeben zu dem, wie wir gehandelt haben.

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Wie muss Erziehung von Kindern heute aussehen?
Das alles summierte sich in Kleinigkeiten, die mich erst einmal überforderten. Da bin ich ganz ehrlich. Aber je mehr ich aber darüber las und je mehr ich im Buch vorankam, desto mehr erkannte ich den Schatz dahinter, den die beiden Autorinnen hier offerieren. Spätestens gegen Ende des Buchs spürte ich, wie umfangreich, vollständig und hilfreich die Ideen der beiden waren. Vor allem bieten sie eins, was ich persönlich schätze: Den Blick über den Tellerrand.
Sie gehen darauf ein, dass es ok ist, auch mal ein nonkonformes Verhalten an den Tag zu legen. Sie laden dazu ein, den Blick zu öffnen und zu ergründen, welche Beweggründe in Wirklichkeit hinter einem Verhalten stecken. Am Schluss des Buchs geht es auch um auffällige Kinder mit ADHS oder mit Passungsproblemen im Schulsystem. Es ist klar, dass die beiden mich spätestens hier wieder vollständig an Bord hatten.

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Gelassen durch den Familienalltag mit hochbegabten Kindern
Die Frage ist, gilt das Motto: Gelassen durch den Familienalltag mit hochbegabten Kindern für die Lektüre dieses Buches auch? Hundertprozentig ja. Dazu möchte ich aber erst eine kleine Anekdote erzählen. Als unser älterer Sohn im Vorschulalter war, empfahlen uns die Erzieherinnen im Kindergarten, eine Erziehungsberatung in Anspruch zu nehmen. Denn unser Sohn stellte viele Dinge an. Er kannte die Regeln zwar auswendig, aber wendete sie nicht an und zeigte weitere Auffälligkeiten.
In der Erziehungsberatung erhielten wir zahlreiche klassische Tipps, die im Jahr 2010 noch sehr populär waren: Belohnungssystem mit Stickern, die stille Treppe zum Beruhigen und weitere Tipps, die ich bereits vergessen habe. Natürlich versuchten wir dies in unseren Familienalltag zu integrieren, doch wir scheiterten an unserem Sohn. Sticker interessierten ihn nicht, auf der stillen Treppe brüllte er die ganze Zeit und auch sonst liefen alle Bemühungen ins Leere.
Kann man hochbegabte Kinder ganz normal erziehen?
Mit den Jahren hatten wir gelernt, dass wir unseren Sohn nicht so erziehen konnten, wie es allseits empfohlen wurde. Vielleicht erinnerst du dich noch an die TV-Sendung „Die Super-Nanny“ mit Katharina Saalfrank? Die Ideen und Vorschläge darin, wie man ein Kind erziehen sollte, waren bei uns nicht umsetzbar. Wir mussten andere Lösungen finden.
Wir erinnerten unseren Sohn beispielsweise samstags sein Zimmer aufzuräumen. Doch das war ihm völlig egal. Bestrafungen (oder angekündigte Konsequenzen, wie man damals sagte), nahm er einfach hin. Er räumte jedoch sein Zimmer bis ins kleinste Detail auf, wenn er der Meinung war, dass es Zeit ist. Dann putzte er sogar Fenster und sortierte alles bis in die letzte Ecke jeder Schublade. Um den Stress aus dem Familiensystem herauszunehmen, passten wir uns also der Autonomie unseres Sohnes an. Viele Dinge funktionierten auf diese Weise hervorragend. Wir lernten damit umzugehen.
Genau das trifft auch die Aussage des Buchs „Eltern sein ohne Schuldgefühle“. Diese Einstellung „wir müssten“ oder „wir sollten“ dürfen wir getrost außer Acht lassen. Die Autorinnen laden dazu ein, eigene Regeln zu erschaffen, die zu der Familie passen. An Ideen mangelt es den beiden nicht. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass jede Familie hier etwas findet, was passt. Gerade Familien mit hochbegabten Kindern finden hier hilfreiche Impulse, um daraus wiederum neue Ideen zu entwickeln.
Weniger Druck auf die Erziehung stärkt die Beziehung
Das Beste ist aber, dass aufgrund der präsentierten und oft ungewöhnlichen Lösungen eine Menge Druck aus der Verantwortung der Eltern gezogen wird. Das Wichtigste darf dadurch wieder in den Mittelpunkt treten: Die Beziehung zu dem eigenen Kind. Gerade hochbegabte und hochsensible Kinder können unter einem verminderten Zugehörigkeitsgefühl in Kindergarten und Schule leiden. Umso wichtiger ist, dass die Familie intern eigene Regeln aufstellt, die vom üblichen Erziehungsschema abweichen.
Die Einladung dieses Buches ist, sich von gesellschaftlichen Restriktionen zu lösen und eigene Methoden und Lösungen zu finden. Auch wenn sie noch so unkonventionell sind. Vor allem die kreativen Ansätze, die die beiden aufzeigen, kommen Familien mit hochbegabten Kindern sehr entgegen. Nichts muss, alles darf sein.
„Wer ständig Verantwortung übernimmt, kann am eigenen Anspruch scheitern“ (Seite 51) ist ebenfalls ein wichtiger Hinweis, gerade für Mütter, die von einem „Mental Load“ betroffen sind, wie sie auf Seite 147 treffend beschreiben. Besonders gut gefallen haben wir übrigens die 7 Zeichen für eine gute Elternschaft (Seite 162), die Eltern Mut machen, gerade wenn sie an ihre Grenzen stoßen.
Gelassen durch den Familienalltag mit hochbegabten Kindern
Mein Lieblingstipp an dieser Stelle ist: „Was habe ich in der Hand und was nicht?“ (Seite 158). Wenn ich das als Mutter oder Vater berücksichtige, dann bringt mir das eine immense Leichtigkeit und rückt viele Dinge gerade.

Beispielsweise im Vergleich mit anderen Eltern und ihren Kindern kann das sehr helfen. Abgesehen davon, dass dieser Vergleich niemals ratsam ist. Denn jede Familie ist anders, jedes Kind, jede Mutter, jeder Vater sind anders. Daher darf Erziehung auch in jeder Familie unterschiedlich gestaltet sein. Ohne Schuldgefühle und ohne schlechtes Gewissen.
So gelingt es vor allem auch gelassen durch den Familienalltag mit hochbegabten Kindern zu kommen. Denn diese Sichtweise kommt allen entgegen, weckt die Kreativität und wirkt sich positiv auf die Beziehungsebene aus, die gerade hochbegabte Kinder so dringend brauchen.
Hallo Susanne! Wow - bin gefälscht (wie schreibt man das auf Deutsch)? Da ich selber 3 Hochbegabte Kinder erzogen habe und 5 ebenfalls hochbegabte GRANDkids habe interessiert mich dieses Thema immense. Dein Buch Review und wie genau es in dein eigenes Leben passt hast du wunderbar komplitiert.
Als unsere Mittlere Sohn in der 6. Klasse auf einen Altsprachliches Gymnasium weilte, riet der Schulpsychiater, ich solle KEINE Erwartungshaltung haben. Recht hatte und auch unrecht. Das ist eine Diskussion für sich...
Zur Zeit lese ich Mel Robbins neues Buch "Let Them". Einfach soooo weise.
Unsere 3 Jungs haben mir am meisten beigebracht wie die Erziehung zu laufen hatte. Die lieben sich (44, 42, 34) obwohl die ziemlich unterschiedlich sind und dass, ist wo ich am meisten gelernt habe - nicht vergleichen und erwarten, dass die alle gleich sind. Wir sind alle Berufsmusiker und das verbindet uns bis ins tiefster Herz und Seele. Sicherlich habe ich manchmal versagt und Luft nach oben gibt es immer, aber wir sind uns sehr nah und verstehen uns blind und wenn ich bedenke, dass meine Enkelkinder (12 & 9) mich drum bitten über Zoom (die leben 6 Stunden entfernt) Singen zu lernen, dann kann es nicht allzu schief gelaufen haben.
Deine Bücher werde ich jetzt bestellen und auch das Buch den du hier beschreibst...ich bin beeindruckt von deine Erkenntnis mit 52 Jahre. Ich bin 72 und muss sagen, dass es den Begriff HOCHBEGABT früher nicht gegeben hat, was wieder hin mich bestimmt sehr geholfen hätte - darf man mit 72 sich noch dazu reihen? Ja!
Liebste grüße aus der Pfalz,
Judith
XXOO
P.S. Was zum Bloggen sagen? Dafür ist die andere Judith zuständig! Besser so...ich bin noch nicht erfahren genug um dazu was zu sagen, aber, ich habe dein Blog sehr genossen!
Liebe Judith,
vielen lieben Dank für dein ausführliches Feedback! Wie schön zu sehen, dass sich bei euch alles gut entwickelt hat. Selbstzweifel sind immer da, ganz klar, aber dafür sind wir Menschen. Dass du jetzt online mit deinen Enkeln singst, ist wunderbar. Wenn ich irgendwann mal dasitze und per Zoom Kinderlieder singe, werde ich sicher an dich denken! Ich singe auch sehr gerne. 🙂
Du darfst dich immer mit dazureihen, einreihen, dabei sein, genießen und stolz sein. Das ist das, was der Test mit mir gemacht hat. Perfekt gegen das Hochstplersyndrom.
Ganz liebe Grüße und ich schaue jetzt mal bei dir rein. Vocalsuccesstudio rein.
Susanne
Liebe Susanne
Dein Blogartikel macht richtig neugierig auf das vorgestellte Buch.
Als 3fache Mutter und 6fache Grossmutter liegen mir Kinder sehr am Herzen. Ich fände es sehr schön, wenn noch mehr Eltern etwas von dieser Leichtigkeit im Familienalltag erleben könnten. Dieses Buch scheint dabei eine wunderbare Hilfe zu sein.
Wenn ich jetzt aus der Distanz auf unseren Familienalltag zurückschaue, kann ich nur bestätigen:
Das Wichtigste darf wieder in den Mittelpunkt treten: Die Beziehung zu dem eigenen Kind.
Danke für diesen Einblick, auch in deine persönliche Geschichte.
Esther
Liebe Esther,
das ist schön, dass ich dir einen Impuls geben konnte. Im Rückblick sehen wir das immer ganz anders, wenn man drin ist, geht der Blick oft verloren. Aber die Beziehung ist immer das Wichtigste.
Lieben Dank für dein Feedback!
Susanne
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