Jetzt ist es raus, ich bin in der Schule auch einmal gescheitert. Im Grunde genommen ist mein Buch „Hochbegabt gescheitert – und neue Türen öffnen sich“ eine Geschichte, die mich selbst betrifft. Aber so ist das manchmal in einer Familie, dass sich Erlebnisse und Geschehnisse generationsübergreifend wiederholen können. Glücklicherweise ist bei solchen Geschichten auch ein Happy End möglich. Also oute ich mich heute: Ich habe die achte Klasse wiederholt - und das ist gut so!

Hier liest du unsere Geschichte mit Mobbing, Hochsensibilität und Hochbegabung inkl. 2 Jahre Schulverweigerung und Wiederholung von Klassen. In meinem Buch "Hochbegabt gescheitert - und neue Türen öffnen sich" kannst du mehr über all die Herausforderungen, die wir bewältigen mussten, erfahren.
Bei Amazon - oder im Buchhandel erhältlich: ISBN 978-3982620169
Wie es dazu kam, dass ich die 8. Klasse wiederholt habe
Generell war ich schon immer ein eher schüchternes und ruhiges Kind. Ich war auf Antrag in die Schule gekommen und war somit die Jüngste in der Klasse. In der Grundschule bewegte ich mich in einer Dreierkonstellation mit zwei Freundinnen, in der es immer wieder Konflikte zwischen uns gab. Ich fühlte mich oft wie das fünfte Rad am Wagen. Erst in der weiterführenden Schule in der Förderstufe fand ich eine beste Freundin, mit der ich gerne zusammen war.
Nach der Förderstufe (in unserer Schule war das damals die 5. und 6. Klasse) wechselte ich in der siebten Klasse ins Gymnasium. Aber ich hatte das Gefühl, in der Klassengemeinschaft nie angekommen zu sein. Erschwerend kam hinzu, dass meine beste Freundin in die Nachbarklasse gekommen war. In meiner Klasse gab es eine starke Cliquenbildung und die Klassenstimmung empfand ich insgesamt als sehr unangenehm.
Mobbing war damals noch kein Thema
Einige Kinder wurden im Unterricht geärgert, so auch ich. Meine Unsicherheit wuchs, ich war auch hier wieder die Jüngste. Oft wurde ich ausgelacht, wenn ich etwas im Unterricht sagte oder wurde verhöhnt. Der Höhepunkt war, dass ein Mitschüler, der hinter mir saß, einen Zirkel an seinen Schuh befestigt hatte und mich damit von hinten trat.
Meine Mitarbeit ließ immer mehr nach, vor allem im Mündlichen. Ich resignierte, ohne, dass ich es damals bewusst bemerkte. Heute habe ich kaum Erinnerungen an diese Zeit. Irgendwann gab es ein Gespräch zwischen dem Vertrauenslehrer und mir. Er sprach mit meinen Eltern und wir beschlossen, dass ich die 8. Klasse wiederholen sollte. Denn meine Noten waren so schlecht geworden, dass eine Versetzung nicht mehr möglich war.
Meine Eltern waren damals sehr verständnisvoll und unterstützten mich, wo es ging. Damals sprach niemand von Mobbing. Ich vergrub diese Erfahrungen tief in mir und hoffte auf die neue Klasse. Schlimmer konnte es nicht mehr werden.
Kinder sind die Spiegel unserer Selbst
In der Einleitung habe ich geschrieben, dass sich Erlebnisse und Geschehnisse generationsübergreifend wiederholen können. Möglicherweise sind es gleiche Muster, die wir weitergeben, um daraus lernen zu können. Oder sind Erlebnisse, die sich ähneln.

Unser jüngerer Sohn war ebenfalls in der 8. Klasse, als er oft wegen seiner langen Haare geärgert wurde. Es gab noch weitere Vorfälle, die ich in meinem Buch in einem Extra-Kapitel beschreibe. Manche gingen sogar von einer Lehrkraft aus. Diese Erfahrungen waren der Grund, warum auch er irgendwann den Schulbesuch verweigerte. Es erfolgte ein Schulwechsel auf eine private Schule. Um dort einen Platz zu erhalten, musste er die 8. Klasse wiederholen. Zum Halbjahreswechsel sprang er dann in die 9. Klasse.
Die Wiederholung der 8. Klasse war positiv für mich
Seine Geschichte, die Auseinandersetzungen damit in unserer Familie aber auch in der Schule, ließen mich meine eigene Geschichte reflektieren. Es brauchte einige Zeit, bis ich erkannte, dass mein Sohn sehr ähnliche Erlebnisse im gleichen Alter wie ich durchmacht. Diese Erkenntnis kam dann aber sehr plötzlich. Dadurch konnte ich mich erinnern und meine eigenen Erlebnisse aufarbeiten. Ich drehte den Film meines Lebens und dieser Geschehnisse gedanklich neu. (Zu dieser Methode ein Buchtipp von Clemens Kuby: Mental Healing)
Heute bin ich dankbar für diese Erfahrung der Wiederholung der 8. Klasse. Ich habe zwei neue Freundinnen kennengelernt, mit denen ich heute noch Kontakt habe. Die Klassengemeinschaft war sehr wohlwollend und es gab ein Miteinander. Das hat mich aufgefangen. Meine Noten wurden besser und ich machte schließlich Abitur. Aber nicht alle Klassenwiederholungen gehen so gut aus.

Eine Klassenwiederholung kann auch nach hinten losgehen
Dass eine Wiederholung der Klasse auch zu einer Schulverweigerung führen kann, erlebten wir bei unserem älteren Sohn. Er verweigerte die Schule aus mangelnder Sinnhaftigkeit im Lernstoff. So hinterfragte er ständig gewisse Fächer und Inhalte, während er in anderen Fächern auflebte und sein Potenzial zeigte. Von einigen Lehrkräfte hörten wir "Ihr Sohn bockt" oder: "Er sitzt nur apathisch im Unterricht und ist nicht ansprechbar."
Sein Notendurchschnitt wurde zusehends schlechter und die Versetzung war nicht mehr möglich. Ich dachte zunächst, dass eine Klassenwiederholung für ihn positiv sein könnte, doch ich täuschte mich. Ab dem Tag, als er die 9. Klasse wiederholen sollte, verweigerte er für 2 Jahre die Schule.
Was ist das “Problem” mit einer Klassenwiederholung
Wie du erfahren hast, haben wir in unserer Familie aus ganz unterschiedlichen Gründen die Klasse wiederholt. Ebenso war die Auswirkung dessen unterschiedlich. So ein Vorfall ist immer eine individuelle Angelegenheit. Eins hatten wir drei aber gemeinsam: Wir wussten zu diesem Zeitpunkt nichts von unserer Hochbegabung.
Natürlich kann und darf diese nicht als einzige Erklärung für die schwierige Situation herangezogen werden. Schließlich war bei unserem jüngeren Sohn und mir noch Mobbing im Spiel. Wir entdeckten in diesem Prozess unsere Hochsensibilität, die oft einhergeht mit einer Hochbegabung. Tatsächlich reicht der Platz dieses Artikels nicht aus, um alles detailliert zu erläutern. Daher empfehle ich dir die Lektüre meines Buchs, in dem ich alles ausführe, was uns im Einzelnen widerfahren ist.

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Was Hochbegabung mit Klassenwiederholung zu tun hat
Ein Scheitern in der Schule hat viele Gründe. Es liegt in jedem Einzelnen selbst begründet. Denn jeder bringt seine Erfahrungen, Prägungen und Persönlichkeit mit. Im System Schule muss jeder mit seiner Umgebung und den Gegebenheiten interagieren. Dabei ist nie vorauszusehen, wie ein Schüler mit Problemen umgeht.
Neben dem Mobbing war mein schlimmstes Erlebnis eine Aussage meines Englischlehrers in der Oberstufe. Er sagte: „Aus Ihnen wird eh nie was.“ In der Mittelstufe prägte sich bei mir ein, dass ich keine Geschichten schreiben kann. Immerzu prangte ein rotes „A“ für Ausdruck am Rand meiner Aufsätze. Gut, dass ich mich trotzdem getraut habe und heute Bücher sowie Blogartikel schreibe.
Hochbegabte stehen in der Schule vor besonderen Herausforderungen
Fest steht, dass Hochbegabte besondere Herausforderungen haben, die sich auf den Schulbesuch störend auswirken können. Diese sind vor allem bei meinem älteren Sohn zum Tragen gekommen, wie eben beschrieben. Er war in ein Underachievement gerutscht. Auch bei mir und meinem jüngeren Sohn gab es Gründe, die wir heute der Hochbegabung zuschreiben können. Vor allem hatten wir das Gefühl, nicht dazu zugehören. Oft kamen wir mit den anderen auf kommunikativer Ebene nicht zurecht, oder die Interessen variierten stark. Bei mir war es ein ausgeprägter Hang zur Musik, bei meinem Sohn Psychologie und Astrophysik.
Der ausgeprägte Gerechtigkeitssinn meines Sohnes führte dazu, dass er sich beispielsweise bei gegenseitigem Geläster innerhalb von Freundschaften zurückzog und zum Einzelgänger wurde. Mich selbst begleitete in der Schulzeit stets das Gefühl, irgendwie anders zu sein, aber nicht zu wissen, warum. Mit mir allein oder mit meinen 3-4 Freundinnen fühlte ich mich am wohlsten und konnte so sein, wie ich bin.

Warum ich heute selbstbewusst sage: Ich habe die 8. Klasse wiederholt – und das ist gut so!
Rückblickend bin ich froh, dass ich die 8. Klasse wiederholen durfte. Mit den Mobbing-Tätern habe ich meinen Frieden geschlossen und bin ihnen sogar dankbar. Denn sonst hätte ich meine beiden wunderbaren Freundinnen und die positive Seite von Schule nicht kennengelernt.
Was das Thema Klassenwiederholung betrifft, bin ich ebenfalls froh, dass ich damals nichts von meiner Hochbegabung wusste. Ich bin eine spät erkannte Hochbegabte. Erst durch meine Kinder ahnte ich, selbst hochbegabt zu sein und unterzog mich einer Begabungsdiagnostik. Denn wenn du als Hochbegabter die Klasse wiederholst, kann das schnell zu Stigmatisierungen und Ausgrenzungen führen. Das müssen viele Eltern erleben.
„Hochbegabte kommen immer gut durch die Schule“
Hochbegabung und Scheitern in der Schule passt für viele Menschen nicht zusammen. Der Grund dafür ist unser gesellschaftliches Bild auf Hochbegabte. Oft werden diese durch Schlagzeilen von erfolgreichen, hochbegabten Kindern genährt. Beschäftigt man sich intensiver mit den Eigenschaften von Hochbegabung, wird schnell klar, warum Gründe für Schulverweigerungen oder Klassenwiederholungen genau darin liegen können.
Eine Klassenwiederholung muss also nicht immer ein Indiz von fehlender Begabung sein. Im Gegenteil, es kann ein Hinweis einer sehr guten Begabung sein. Dann können Symptome, wie Langeweile, die Verweigerung von Wiederholungen und Hausaufgaben, Verhaltensauffälligkeiten, Rückzug, hinterfragen des Schulstoffs bis hin zur Komplettverweigerung auftreten. Es verhält sich wie in einer Abwärtsspirale, die sich in schlechten Zensuren zeigt.
Mein Angebot an Schulen: Weiterbildung für Lehrkräfte
So sitze ich hier und hoffe, dass ich mit meinem Outing Eltern Mut machen kann. Entweder, weil sie ähnliche Erlebnisse in ihrer eigenen Schulzeit hatten oder weil sie Kinder haben, die in der Schule schlecht zurechtkommen. Dabei gibt es nicht die ideale Lösung für alle. Für manche ist eine Wiederholung der Klassenstufe ein Segen, für andere ein Grund, in die Totalverweigerung zu gehen. Ich kann für mich nur sagen: Ich habe die 8. Klasse wiederholt - und das ist gut so!
Mein Wunsch wird immer stärker, aufzuklären. Ich möchte Verbindungen schaffen zwischen Schule und Elternhaus, zwischen Schule und therapeutischen Angeboten bis hin zur Begabungsdiagnostik. Dies auf Grundlage unserer persönlichen Geschichte und Erfahrungen einer Mutter, studierten Grundschullehrerin und Autorin. Ich möchte Lehrkräfte in Weiterbildungen sensibilisieren für das Thema und daran erinnern, dass auch Hochbegabte Probleme in der Schule haben oder sogar scheitern können. Es ist kein Widerspruch in sich selbst, aber selten Thema in der Lehramtsausbildung.
Hochbegabung und Underachievement sind nicht das Wichtigste. Aber sie sind wichtig. Kontaktiere mich gerne zu meiner Weiterbildung für Lehrkräfte (akkreditiert bei der Lehrkräfte-Akademie Hessen) oder einer Lesung aus meinem Buch.
Ich freue mich auf deine Anfrage!